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Die Vorbereitung verlief grösstenteils wie geplant. Das Feuer für Grindelwald brannte und ich konnte mit spezifischen Trainings in relevantem Gelände nochmals Selbstvertrauen tanken. Aber mit der Vorbereitung kam auch der eigene Druck – ich wollte gut sein in Grindelwald. Ich wollte zeigen, dass ich einen Schritt weiter bin, als vor einem Jahr und ich wollte vor Heimpublikum mein Bestes geben.
Wie gut dies ist das wusste ich nicht – ich wusste nur, dass ich in diesem Gelände ebenbürdig sein kann mit vielen Topathleten.

Langdistanz:
Das Boulder-Training im Vorfeld auf den Heim-Weltcup war zwar mehr als Witz gedacht, und doch war ich mir bewusst, dass die Langdistanz mit fast 800 Höhenmeter Steigung kein Zuckerschlecken wird. Dementsprechend nervös war ich auch – obwohl die Steigung mir liegt so war die Frage: wie gehe ich mit dem Downhill um?
Das Rennen startete und ich war aufs erste etwas überrascht über die Bahnanlage. Viel Downhill zu Beginn, schwierige kurze Posten in wunderschönem, schnell belauf baren Wald. Ich kam gut ins Rennen, trotz kleiner Unsicherheiten und einem Postenraumfehler zum neunten Posten (40Sek) war ich positiv unterwegs und dann kam die Steigung – die lange Route und genau jetzt sollte ich genug Atem haben für eine klare Entscheidung. Ich traf die falsche und lief die zwei Minuten längere Route – aber ich war nur im hier und jetzt – Posten für Posten, ich drückte aufs Tempo und auf der zweiten langen Route nahm ich dann die bessere Route. Und auf einmal holte ich ein Tram von 3 Läufern ein. Es ging nun steil aufwärts über mehrere Posten und nicht einmal Überflieger Kyburz lief hier schnellere Abschnittszeiten als ich. Es war hart – ich merkte, wie die Energie langsam zu Ende ging und ich war wirklich froh, bald im Ziel zu sein. Doch es gab nochmals einige schwierige Posten zu finden und hier bekundete ich kurz etwas Mühe. Danach quälen, quälen und quälen – nur noch den Zieleinlauf hoch und mit Bestzeit unter tobender Zuschauermenge einlaufen – was für ein Gefühl!!
Genau so eine Leistung habe ich mir erhofft! Es war nicht perfekt, aber es war gut! Sehr gut sogar!
Ich merkte bald, dass es wohl Top 15 sein wird, sogar top 10 und für einen kurzen Moment dachte ich schon fast ans Diplom – Top 6.
Am Ende resultierte der 7. Rang – wenige Sekunden hinter Hubmann, Howald auf Rang 5 und 6.
WOW! Auf einmal ist man da auf der Rangliste weit vorne. Ich war zwar „nur“ 4. Bester Schweizer, aber das ist halt so eine Sache, wenn 5 Schweizer in die Top 10 laufen…

Was mich aber umso mehr glücklich machte war, dass meine Trainingskollegen allesamt tolle Klassierungen einsammelten. Jönu Egger auf 14, Chrigi Meier 17 Sven Hellmüller 26 und Remo Ruch 28. Wir alle waren noch vor vier Jahren zusammen an der Junioren-WM…
RanglisteBericht Swiss Orienteering

Aber nun galt es – die Beine möglichst gut zu erholen. Den Kopf frei zu bekommen und all das noch irgendwie innerhalb weniger Stunden, denn für Feiern war keine Zeit – die Mitteldistanz vom nächsten Tag stand auf dem Programm. Und die Worte des Cheftrainer François Gonon wollte ich ernst nehmen:
„To be once top 10 is easy, to make it twice is the challenge“!

Mitteldistanz:
Ich war nervös aber ich freute mich. Beim Warm-UP spürte ich die Beine der Langdistanz etwas, aber überraschenderweise war es mehr das Kribbeln im Bauch, das mich beschäftigte, als die müden Beine. Ich wollte noch einmal ein technisch sauberes Rennen machen. Voller Fokus auf die Technik und dann mit Vollgas ins Dorf runter.
Ich startete sehr gut, fand sofort den Kontakt zur Karte und sofort war ich im Rennen. Posten, Plan, Pace – so lautete das Konzept für 23 knackige Posten. Es war eigentlich einfach – denn nur diese drei Wörter umsetzen und das Rennen läuft gut.
Aber eben diese „einfachen“ Sachen klappen nicht so leicht, wenn man unter Druck und im Stress eines Wettkampf ist. Aber genau diese Wörter kamen mir auf und genau so lief ich. Es war sehr schnell hart und sehr bald merkte ich, dass die Beine wirklich müde sind. Die vielen Steigungen setzen mir recht zu, aber ich kämpfte und bekam ein tolles Feedback, als ich den vor mir gestarteten Ukrainer einholte – immerhin Bronzemedaille-Gewinner der WM!
Ich kam sauber durch die technischen Abschnitte durch und merkte nach gut 20 Minuten: wow, das gibt ein tolles Rennen. Und ab hier war es ein ständiger Kampf mit dem Fokus. Ich musste mich immer wieder auf die technischen Aufgaben zurück besinnen und mich zwingen diese drei Wörter umzusetzen. Posten, Plan, Pace! Wieder und wieder.
Und dann war er da, der letzte Posten im Wald und ich wusste – jetzt geht’s nur noch um die physische Stärke am Ende.
Ins Ziel zu Rennen unter den tobenden Fans und Zuschauern war unheimlich toll! Ein Gänsehautgefühl, wenn ich daran zurückdenke, wie laut es war!
Wieder lief ich mit Bestzeit ein und dieses Mal durfte ich auf dem Leaderstuhl sitzen – und dort sass ich lange!
Am Ende resultierte ein hervorragender und für mich überraschender 5. Rang! Erneut inmitten der Weltspitze! Ich war und bin überglücklich über dieses Rennen und das Ergebnis. Mein erstes Diplom an einem Weltcuprennen und hoffentlich nicht das letzte!
Ich war nur noch happy über diese zwei Rennen und freute mich aufs Podium zu steigen.
Umso cooler, weil drei andere Schweizer mit unter den besten 6 waren und zwei weitere knapp dahinter folgten. Ein toller Tag – erneut!
Rangliste | Bericht Swiss Orienteering 

Am Abend war ich noch müder und doch stand noch die Sprintstaffel auf dem Programm.
Für Schweiz 3 startend durfte ich die zweite Strecke laufen, nach Anina Brunner, vor Andreas Kyburz und Martina Ruch. Unser Ziel war einfach, wir wollten mitlaufen können.

Und dies klappte dann hervorragend! Anina kam an 17. Position zurück und schickte mich auf die Runde – mit viel Selbstvertrauen und guter Vorbereitung überholte ich einige Läufer und übergab an Ändi an 7. Stelle. Andreas überholte nochmals einige Läufer und auch Martina lief hervorragend und so klassierten wir uns am Schluss auf dem tollen 6. Rang! „Leider“ zählte unser Team nicht, da Schweiz 2 den hervorragenden dritten Rang erreichte.
Rangliste | Bericht Swiss Orienteering

Und so ist dieses Weltcupwochenende bereits vorbei. Ich glaube, ich darf dies meinen bisherigen Karrierehöhepunkt in der Elite nennen – auch wenn ich schon einige tolle Erfolge feiern konnte bis jetzt. Ich beendete die Saison auf dem 24. Rang im Gesamtweltcup und somit weiter vorne als gedacht oder geplant. Aber dies soll mir keinen Grund geben, mich zu sehr auf dem Erfolg auszuruhen. Die EM 2018 ist in einem halben Jahr und dort kann / soll ich vieles, dass ich nun gut gemacht habe wieder machen.

Bericht Berner Zeitung

Aber vorerst werde ich für zwei Monate nach Neuseeland reisen und dort die Saisonpause geniessen – aber auch bereits die ersten Grundlagen für die Saison 2018 legen.
Es wird also die nächsten News direkt aus down under geben.