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Was will man in dieser Zeit denn anders tun?
Warten und trainieren, viel mehr bleibt einem als Profisportler gar nicht übrig. Aber dies hat durchaus auch seine positiven Seiten. Für mich kommt diese kleine «back to basics» Pause gerade richtig – denn ich bin nun in Woche vier nach meinem Unfall im Trainingslager in Portugal und so kann ich mit dem Aufbau einen langfristigeren gesünderen Fahrplan verfolgen und das Problem nicht so schnell wie möglich in den Griff bekommen, sondern so gut wie möglich. Dass diese Krise aber auch für uns Waldläufer schwierig ist, das merke ich nicht nur als Athlet, sondern auch als Geschäftsführer des bernischen Orientierungslaufverbandes…

Wieso rede ich von einem Unfall?
im Trainingslager in Portugal stürzte ich beim abschliessenden Staffeltraining kurz vor dem letzten Posten sehr unglücklich. Beim Sturz klemmte ich mir den Unterschenkel zwischen zwei grösseren Steinen ein und verdrehte mir somit das Knie. Ich prellte so auch mit voller Wucht auf mein Knie und Oberschenkel am rechten Bein. Als ich nach dem Sturz wieder aufstehen wollte, spürte ich sofort einen stechenden Schmerz und musste liegen bleiben.
Dank der Hilfe von Philip Sauter (Coach der Junioren) sowie Dani und Martin Hubmann kam ich nach einiger Zeit zum Ziel (dabei wurde ich von den zwei WM-Helden getragen). Für mich war das TL somit vorbei – was genau kaputt war konnte aber noch nicht geklärt werden. Die Physiobetreuung war aber mindestens genauso gut, wie die Unterstützung der Kaderkollegen, die mir Essen und Getränke brachten, so dass ich mich so wenig wie möglich bewegen musste und mein Bein die maximale Erholung bekam.

Fantastische Abklärungen des Medical Staffs (Sportmedizinisches Zentrum Bern Ittigen)
Zu Hause durfte ich wieder einmal auf einen perfekt funktionierender Medical-Check-UP Ablauf zählen. Innerhalb von 5h waren Arztvisite, MRI und MRI Besprechung inkl. Diagnose und Massnahmeplan klar. So ein Service ist glaube ich recht rekordverdächtig!
Muskelfaserrissli in zwei der vier Quadrizeps-Muskeln sowie Prellungen am Knie inkl. Verletzung der Knorpelschicht unterhalb der Kniescheibe. Es war sofort klar: das wird wieder einige Wochen dauern.

So verschob ich den geplanten Rückflug nach Norwegen (zurück in mein zweites «Zuhause»). Wie sich später herausstellte, war dieser Entscheid enorm gut, da ich in Norwegen aufgrund der Corona-Sperre sowieso kaum Bewegungsfreiheit gehabt hätte und alle Trainingsmöglichkeiten geschlossen wurden.

Zu Hause bin ich nun absolut im Fahrplan und bin bereits beim Laufaufbau angekommen (nach nur vier Wochen). Da das Wetter perfekt ist, um auch einige Einheiten auf dem Mountainbike oder den Rollski zu absolvieren, kann ich nicht klagen. Viele Trainings mache ich drinnen, was aber aufgrund der Corona-Situation gar nicht so schlimm ist. Man sollte ja sowieso viel Zeit zu Hause verbringen.

Ich sehe viele positive Dinge in der momentanen Situation – oder versuche das zumindest.
Als Orientierungsläufer ist man normalerweise ab Ende März bis Oktober ständig am Wettkämpfe laufen oder in Trainingslager unterwegs. Und auch wenn mir beides im Moment enorm fehlt, so ist zumindest für einmal in unserer Karriere Zeit, um Baustellen abzuschliessen oder langfristige Projekte sportlich gesehen anzupacken. Es ist Zeit, um Konzepte fertig zu schreiben und zu Hause einzuüben. Auch bleibt Zeit um den Stapel an angesammelten OL Karten zu sortieren und archivieren. Zu guter Letzt ist es auch sehr schön zu erkennen, was einem am meisten fehlt und was man mit erschwerten Bedingungen trotzdem erreichen kann.

Bei mir zum Beispiel sind fast alle meine Trainingsutensilien, mein Auto, viele Kleidung und Schuhe immer noch in Lillehammer in der kleinen Hütte. Dies wird wohl noch einige Wochen / Monate dort oben bleiben und ich musste lernen, mit weniger Mobilität aus zukommen, etwas öfters das Fahrrad zu gebrauchen oder einfach weniger weg zu gehen (schlussendlich). Mit weniger Kleidung und nur den dritt liebsten 361° Laufschuhen aus zukommen. Aber alles ist machbar und ich sehe täglich, wie die Corona-Situation viele neue Erkenntnisse bringt, was ich sehr schön finde eigentlich.

Aber natürlich vermisse ich vieles in Norwegen. Die neu gewonnenen Freunde und fast schon Familie, die unendlichen Kilometer auf den LL Ski und die Natur. Aber ich weiss, dass ich bald wieder dorthin zurück gehen kann.