Die Vorbereitung
Bereits im Winter 2015/2016 war für mich klar, die Studenten-WM wird mein Ziel im Sommer sein und da will ich um die Medaillen mitreden können. Ich erinnere mich noch an einen Longrun, wo ich mir nach 90 Minuten sagte: und die nächsten 20 Minuten sind für die Langdistanz an der WUOC.
Der Frühling war harzig und ich musste mich immer wieder besinnen, dass ich noch keine Topform brauche, da mein grosses Ziel erst im Sommer kommt. Trotzdem war es hart, technisch saubere Läufe mit grösserem Rückstand verkraften zu müssen.
Aber die Form stieg dann pünktlich an – zu den Testläufen im Jura war ich bereit. Schon im Vorfeld wusste ich, nach 10mila und 5’000m Test, dass ich schnell und technisch gut unterwegs bin und nach zwei Siegen in Mittel und Langdistanz war dann auch klar, dass ich in Ungarn an den Start gehen werde.
Den letzten Schliff holte ich mir im Engadin, wo ich allerdings geschwächt anreisen musste, und noch eine gute Woche aufs Rennen verzichten musste (Ich hatte mir eine Entzündung am Zehen zugezogen).
Nach den Juniorenweltmeisterschaften in Scuol und einer super Trainingswoche während der Swiss-O-Week in St. Moritz, war ich dann bereit für die Titelkämpfe in Ungarn.
Die Tage davor
Die Reise nach Ungarn war kurzweilig und die Stimmung im Team sehr gut. Mit Kartenspielen (Tichu) war für Ablenkung gesorgt und das Trainerteam (Christoph Schilter, Simone Niggli-Luder und Martina Roffler) organisierte für uns noch einige kurze Trainings.
Leider lief es mir hier überhaupt nicht und das Selbstvertrauen wurde leicht geschwächt. Aber ich wusste auch, dass die Tage vor dem Rennen nie wirklich toll sind und der Fokus schon viel zu sehr auf dem Wettkampftag ist.
Es konnte also los gehen und nach einer tollen Eröffnungsfeier war ich dann richtig motiviert für drei Einsätze!
Erwartungen im Sprint erfüllt – Bronze!
Der Sprint in und um die «hängenden» Gärten von Lillafüred war sehr anspruchsvoll. Sowohl physisch wie auch technisch forderte man uns einiges ab und viele Fähigkeiten wurden gleichzeitig getestet, schnelle Wechsel, schnelle Beine, schwierige Routenwahlen und harte Steigungen. Ein Sprint der Extraklasse!
Mir lief es sehr gut und ausser zwei langsameren Routen, wo ich je 8 Sekunden verliere, hatte ich ein sehr kontrolliertes Rennen zu vermerken – wie gewohnt zurückhaltend am Start und schnell gegen Ende.
Im Ziel resultierte eine deutliche Bestzeit, welche mehr als eine Stunde stand hielt. Teamkollege Jonas Egger verdrängte mich mit einem sehr guten Lauf auf den Silberrang und nur wenig später lief der Brite Kristian Jones mit einer beeindruckenden Zeit zu Gold.
Für mich resultierte der dritte Rang mit 43’’ Rückstand auf Gold und 9’’ auf Silber – ein sehr erfreuliches Resultat. Nach drei Jahren war ich also (endlich) wieder auf dem Podium bei Titelkämpfen!
Die erwartete und vor allem erhoffte Medaille schon im ersten Rennen zu holen, war eine grosse Genugtuung. Ein toller Tag fürs Schweizerteam, alle Herren klassierten sich in den Top 11 (Jönu 2, Ich 3, Alain 7 und Chrigi 11!) – die Woche war lanciert!
Rangliste | Karte | GPS
Hoffnungen im Long: gescheitert – Nothing!
Die Langdistanz war für mich der wichtige Wettkampf dieser Titelkämpfe! Ich fing bereits im Dezember an, dieses Rennen vorzubereiten und ich wusste, hier will und werde ich meine Bestleistung zeigen können. Mit spezifischen Trainings in steilem Gelände, mit harten Hügeltrainings und langen Quertrainings und vor allem mit vielen Routenanalysen und Kartenstudium fühlte ich mich perfekt vorbereitet.
Und das Rennen war, wie ich es erwartet hatte! Es war ein harter Kampf von Beginn weg. Fehler schlichen sich schon früh ein, ich musste mich oft wieder zusammenreissen und mich doppelt konzentrieren.
Aber ich hatte mich im Griff und meine Stärken über die Dauer des Rennens kamen zum Zug! Es war ein super Rennen trotz kleinen Unsicherheiten und ich kam zum letzten Posten, kämpfte mich ins Ziel und lief auf einem hervorragenden zweiten Platz ein – für einen kurzen Moment war ich trotz Müdigkeit sehr erleichtert und zufrieden. Doch dann wurde mir mitgeteilt, dass ich einen falschen Posten habe!
Ich war überzeugt, die Kontrollnummer 52 auf dem Posten gelesen zu haben und so wollte ich, dass man dies im Wald überprüft.
Mit etwas Abstand muss ich aber zugeben, dass mein Kopf mir hier einfach die Nummer 49 zu 52 umgedacht hat – ich war schlicht am falschen Posten (Damenposten Nummer 49, welcher 42m neben meinem stand).
Viel mehr kann ich gar nicht sagen – der Frust, die Enttäuschung, die aufkommende Wut und vor allem die enorme Traurigkeit, alles ist und war zu viel und ich wollte nur noch eines: eine neue Chance!
Diese Chance will ich immer noch! Und auch wenn die Woche noch nicht vorbei war, die nächste Chance diese Enttäuschung wieder gut zu machen wird erst an den hoffentlich wiederkommenden Titelkämpfen über eine Langdistanz kommen.
Um meinen Frust etwas abzubauen lief ich einige Stunden nach der Langdistanz ein Intervalltraining auf der Bahn (4x400m) zwischen 65-68’’ – das tat gut und die Ruhetage danach kamen auch gerade richtig.
Karte | Rangliste | GPS
Die Ruhe vor dem Sturm
Zwei Tage Zeit, alles zu verdauen und neue Energie zu sammeln.
Nach zwei medaillenlosen Tagen in der Sprintstaffel (wo das Schweizer Team eine hervorragende Leistung zeigte) und über die Mitteldistanz, war ich endlich wieder im Einsatz! Trotz meinen hervorragenden Testlaufleistungen (2x 1. Rang, 1x 3. Rang), durfte ich nicht an vier sondern nur an drei Rennen starten..
Mehr als eine Genugtuung – SILBER!
Die abschliessende Staffel stand noch auf dem Programm und wir alle waren heiss darauf. Leider trat Schweiz 2 ohne Schlussläufer Sven an, da dieser sich am Vortag verletzt hatte. Schweiz 1 musste das Ding also nach Hause schaukeln.
Aber, seit 2010 (JEC) stand ich nie mehr auf dem Podium an einer internationalen Staffel – ich wusste also, wie schwierig es ist, drei solide Leistungen abzurufen. Mit den OLV Baselland Läufern Chrigi Meier und Chäspi Hägler waren allerdings zwei mehrfache Schweizermeister in meinem Team, die Chancen waren gut!
Chrigi auf der Startstrecke lieferte die Leistung ab, die man von einem Startläufer erwartet! Wenig Rückstand auf die Spitze, im Spitzentram dabei und kontrolliert gelaufen. Chäspi (Silbermedaillengewinner in der Langdistanz) konnte die Gruppe auflockern und lief mit einem guten Rennen auf den dritten Rang vor.
Gut zwei Minuten hinter den dominierenden Schweden und Tschechien 2 wurde ich auf die dritte Strecke geschickt – ich sollte der Ankermann sein, der die Medaille sichert. Hinter mir startete aber mit Pavel Kubat (CZE) und Mikko Siren (FIN) zwei WM-Läufer und zudem durfte ich mich noch über die längsten Gabelungsvarianten freuen.
Ich lief technisch sehr kontrolliert, blieb oft stehen, hatte auch die eine oder andere Unsicherheit zu vermerken. Unterwegs zu Posten 13 kam ich viel zu weit links und landete bei meinem drittletzten Posten.
Dadurch waren wir alle fast beisammen, der Finne (Mikko) lief ca. 10 Sekunden vor mir, der Tscheche (Pavel) etwa gleich viel hinter mir bei der Zuschauerpassage.
Ich wusste, es würde auf ein Duell um Silber führen. Die Entscheidung fiel dann im Wald und nicht, wie ich gedacht hatte, erst auf der Zielgeraden.
Posten 19 brachte die Entscheidung: als im Grünen die beiden anderen nach rechts zogen, blieb ich stehen – orientierte mich neu und fand den Posten als Erster. Dann lief ich mir meine Wut von der Langdistanz aus dem Bauch!
Im Zieleinlauf wollte ich nicht zu früh jubeln, da ich eigentlich zuerst auslesen wollte, um sicher zu sein, dass wir die Silbermedaille gewonnen haben
Diese Medaille bedeutet mir unheimlich viel! Nicht nur, weil es eine Medaille im Team ist, sondern weil ich es endlich geschafft habe, mich auf mich zu konzentrieren!
Es war und es ist Silber! Doch sie glänzt fast etwas mehr in meinen Augen!
Karte | GPS | Rangliste
Mit dem Ziel drei technisch, physisch und mentale solide bis gute Rennen zu zeigen bin ich nach Ungarn gereist – und mit dem Ziel eine Medaille zu gewinnen!
Mit drei technisch sehr soliden Rennen und zwei Medaillen kam ich dann auch nach Hause!
Diese Leistungen machen mich stolz – endlich kann ich über mehrere hintereinander folgende Rennen konstant gut laufen auf internationalem Niveau und ENDLICH konnte ich wieder Medaillen gewinnen! Das macht mächtig Lust auf mehr…
Zu Hause angekommen lief ich (traditionsgemäss) auf den Niesen.
Jedes Jahr gleiche Route, gleiche Steigung (7km, 1700m Steigung) und meine Bestzeit lag bei 80:19 Minuten. Meine Form erwies sich allerdings auch hier als hervorragend und ich konnte mit einer Zeit von 71:52 Min in, für mich völlig neue Sphären vordringen! What a PB-record!!
Nun gilt es aber: Erholung, Erholung und Erholung.
Schon am Freitag geht es weiter mit dem Night-Hawk (Staffel) in Norwegen zusammen mit dem „ol norska raskt tog team“ und direkt im Anschluss starte ich mit dem Formaufbau für die Herbstsaison – einem Trainingslager in St. Moritz bis zum 3. September steht an!
Glückwunsch … und weiter so!